Bundesarbeitsgericht verkündet erste Entscheidungen über tarifvertragliche Nachtzuschläge: Alle Klagen abgewiesen!
Wir hatten Sie bereits mit Email vom 23.02.2023 über den Ausgang unserer ersten Verhandlungen vor dem Bundesarbeitsgericht zur Frage der zulässigen Differenzierung der Zuschlagshöhen für Schichtarbeit in der Nacht und Nachtarbeit informiert. Das BAG hat alle auf Veranlassung der NGG vom DGB für die einzelnen Kläger erhobenen Revisionen vor dem Bundesarbeitsgericht am 22.02.2023 ausnahmslos zurückgewiesen.
Nachfolgende Tarifverträge wurden vom Bundesarbeitsgericht als vollständig verfassungskonform bestätigt bzgl. der dort festgeschriebenen Zuschlagshöhen für die Schichtarbeit in der Nacht und der ungeplanten Nachtarbeit:
a) Manteltarifvertrag für die Erfrischungsgetränkeindustrie für die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom 24.03.1998
Verhandelt wurde über die Rechtfertigung der im Manteltarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin in § 7 Nr. 1 MTV bestimmte Zuschläge, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 % und für regelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 20 % je Stunde vorsehen. Die vertragsschließende Gewerkschaft hatte einen ungerechtfertigten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz geltend gemacht und mangels Rechtfertigung einer Angleichung für alle anderen Arbeitnehmer „nach oben“ geltend gemacht.
Das Bundesarbeitsgericht hat – wie über alle anderen Tarifverträge auch – einzeln verhandelt und geprüft, ob die Zuschläge einen angemessenen Ausgleich darstellen und ob eine mögliche Ungleichbehandlung aus anderen Gründen, wie etwa eine fehlenden Planbarkeit bei unregelmäßiger Nachtarbeit, gerechtfertigt ist.
Nach Verhandlung hat das BAG die Klagen der Gewerkschaft mangels Verstoßes gegen Art. 3 Grundgesetz abgewiesen. Die Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Tarifparteien haben den ihnen eingeräumten Gestaltungsspielraum in verfassungsgemäßer Weise genutzt. Eine Anpassung „nach oben“ ist daher ausgeschlossen.
b) Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie vom 14.05.2007
Auch in diesem Parallelverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Klage der tarifschließenden Gewerkschaft NGG gegen ihren eigenen Tarifvertrag abgewiesen. Die tarifvertragliche Differenzierung bei den Zuschlägen für “sonstige” Nachtarbeit einerseits und Zuschlägen für Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fallen, andererseits, verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung im BMTV Süßwaren nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts war das Gesamtbild des Manteltarifvertrages entscheidend. Auch hier kam es bei der Differenzierung darauf an, dass sonstige Nachtarbeit nicht planbar ist, weswegen eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. § 4 Abschn 3 Ziff. 3 Buchst. b des Bundesmanteltarifvertrags für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden in der Süßwarenindustrie vom 14. Mai 2007 (BMTV) beinhaltet damit keine mit Art 3 Abs. 1 GG unvereinbare gleichheitswidrige Schlechterstellung von Beschäftigten, die in die Nachtzeit fallende Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit leisten. Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung überschreitet den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht. Sie haben nicht für eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund eine erheblich weniger günstige Zuschlagsregelung geschaffen als für eine vergleichbare Gruppe. Sie haben vielmehr eine unterschiedliche Regelung für von ihnen unterschiedlich bewertete Sachverhalte geschaffen, was nach Auffassung des BAG zulässig ist.
c) Manteltarifvertrag für die milchbe- und verarbeitenden Molkereibetriebe Niedersachsen/Bremen vom 22.01.1997
Auch hier hat das BAG die Klagen abgewiesen! Die Differenzierung zwischen regelmäßiger Nachtarbeit (25 %) und unregelmäßiger Nachtarbeit (50 %) bei der Zuschlagshöhe im Manteltarifvertrag für die milchbe- und verarbeitenden Molkereibetriebe Niedersachsen/Bremen vom 22.01.1997 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und hält sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG zustehenden Einschätzungsprärogative. Auch bei dieser Entscheidung kam es auf eine Gesamtbetrachtung des Tarifvertrages und einer Rechtfertigung einer möglichen Ungleichbehandlung an, die nach Auffassung des BAG aufgrund der gegebenen Umstände des Einzelfalls nicht vorlag.
d) Manteltarifvertrag für die Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie vom 16.03.1989
In gleicher Weise wurde schließlich die Klage auf Anpassung „nach oben“ durch das Bundesarbeitsgericht abgewiesen. Auch hier konnte nach Einzelfallprüfung kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz festgestellt werden. Die Tarifvertragsparteien haben ihren Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise ausgeübt.
Ausblick
Das Bundesarbeitsgericht wird auch in den kommenden Monaten über die jeweils anhängigen Verfahren entscheiden. Aus der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2023 wurde deutlich, dass es immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt und das Gesamtbild des Tarifvertrages entscheidend sein kann. Eine generelle Aussage zu den weiteren Verfahren kann daher nicht getroffen werden.
Die Entscheidungen lassen jedoch hoffen, dass auch die übrigen Klagen mit vergleichbaren Konstellationen der am 22.02.2023 ausgeurteilten Tarifverträge abgewiesen werden. Sobald die Entscheidungsgründe der Verhandlungen des Bundesarbeitsgerichts vorliegen, werden wir sie weiter unterrichten.
JA zu besserer Bildung! – NEIN zur Ausbildungsabgabe!
Der Bremer Senat will Unternehmen in Bremen und Bremerhaven mit einer neuen Abgabe belasten. Demnach sollen Unternehmen bis zu 0,3 Prozent der jährlichen Bruttolohnsumme in einen Fonds einzahlen. Daraus soll die betriebliche Ausbildung gefördert werden. Bei diesen Planungen lässt der Senat die Realität auf dem Ausbildungsmarkt mit dem gravierenden Mangel an jungen Bewerberinnen und Bewerbern völlig außer Betracht. Er schafft eine weitere staatliche Zwangsabgabe, erhöht die Kosten gerade für kleine und mittelständische Unternehmen und schafft mehr Bürokratie.
Dabei bilden Unternehmen in Bremen und Bremerhaven bereits überdurchschnittlich aus! Aktuell sind hier rund 16.000 junge Menschen in einer betrieblichen Ausbildung. Wir fordern die Bremische Bürgerschaft auf, den vom Senat vorgelegten Gesetzentwurf zur Errichtung eines Ausbildungsfonds nicht zu beschließen. Stattdessen muss die Qualität der Schulen endlich spürbar verbessert werden.
Auf Initiative der Wirtschaftsjunioren Bremen hat sich ein Bündnis aus inzwischen 25 Kammern, Verbänden und Vereinen zusammengetan, um in einer gemeinsamen Petition „Ja zu besserer Bildung – Nein zur Ausbildungsabgabe“ die Bürgerschaft aufzufordern, den Gesetzesentwurf nicht zu beschließen. Die Unternehmensverbände im Lande Bremen unterstützen diese Initiative ausdrücklich. Damit die Petition Nachdruck erhält, sollten sich möglichst viele Unterstützer und Unterstützerinnen mit ihrer Unterschrift beteiligen. Die Teilnahme an der Petition ist auf dem Internetportal change.org unter dem Link
https://www.change.org/nein-zur-ausbildungsabgabe möglich.
Auf www.nein-zur-ausbildungsabgabe.de sind weitere, auch grundsätzliche Informationen und Argumentationshilfen, zu dem Thema zu finden.
In eigener Sache
Wir möchten Sie darüber informieren, dass Herr Manuel Wiesehahn uns aus familiären Gründen zum 28.02.2023 verlassen hat, um zukünftig eine Tätigkeit in unmittelbarer Nähe seines Wohnortes in Minden aufzunehmen. Wir danken Herrn Wiesehahn für seine erfolgreiche Mitarbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.