Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit
(LAG Niedersachsen Urt. v. 13.10.2022 – 3 TaBV 24/22)
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat sich in dem o. g. Urteil mit der Frage befasst, ob dem Betriebsrat bei dem Verbot der Handynutzung zu privaten Zwecken im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 1 BetrVG zusteht (Ordnung des Betriebes und Verhalten der Mitarbeiter).
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte die Arbeitgeberin für die Produktion, wo es bisweilen zu betriebstechnischen Leerlaufzeiten kommt, per Aushang ihre Beschäftigten angewiesen, jedwede Privatnutzung von Mobiltelefonen und Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu unterlassen und mitgeteilt, dass Zuwiderhandlungen hiergegen arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zögen. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin auf, die Maßnahme zurückzunehmen, da das Ordnungsverhalten der Beschäftigten tangiert und ohne seine Mitbestimmung ein solches Verbot unzulässig sei. Zur Durchsetzung seiner Forderung leitete der Betriebsrat im Dezember 2021 ein Beschlussverfahren ein. Der Antrag des Betriebsrates war erstinstanzlich ohne Erfolg und auch in der Beschwerdeinstanz erfolglos. Der Arbeitgeber durfte die private Handynutzung ohne Mitbestimmung des Betriebsrates verbieten.
Das Handyverbot unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates gem. § 87 I Nr. 1 BetrVG, da nach dem überwiegenden Regelungszweck die Weisung kein arbeitsbegleitendes Verhalten regele. Gegenstand der Maßnahme sei die Festlegung, welche Tätigkeiten die Beschäftigten während ihrer Arbeitszeit zu unterlassen hätten. Aus dem betrieblichen Aushang ergebe sich direkt dieser Regelungszweck, da ein Verhalten der Arbeitnehmer geregelt werde, das während ihrer Arbeitszeit einer tatsächlichen Arbeitsleistung entgegenstünde. Es sei unstreitig, dass die private Nutzung des Handys eine gleichzeitige Erbringung der Arbeitsleistung verhindere. Darin liege auch der Unterschied zum mitbestimmungspflichtigen Verbot des Radiohörens während der Arbeitszeit. Dieses sei dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten zuzurechnen, da Radiohören während der Arbeitszeit nicht notwendigerweise zu einem Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung führe.
Die Frage, ob das Handyverbot dem Mitbestimmungsrecht unterliegt, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil ist derzeit vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig. Mit der Entscheidung liegt das LAG Niedersachsen allerdings auf einer Linie mit anderen Landesarbeitsgerichten.
Hohe Betriebsratsvergütung als Verstoß gegen das Begünstigungsverbot und Untreue (BGH Urt. v. 10.01.2023 – 6 StR 133/22)
Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 10.01.2022 mit der strafrechtlichen Würdigung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern bei der VW AG zu beschäftigen. Die Vorinstanz, das Landgericht Braunschweig, hatte den Personalleiter und Vorstand der AG noch vom Vorwurf der Untreue gemäß § 266 I StGB freigesprochen. Die darauf gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft vor dem BGH hatte Erfolg. Der BGH gelangte zu dem Ergebnis, dass der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 I StGB erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrates ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft verletzt seine ihm nach § 93 I AktG obliegende Vermögensbetreuungspflicht, wenn einem Betriebsrat ein Arbeitsentgelt bewilligt wird, das gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 BetrVG) verstößt. Eine solche begünstigende Verfügung führt zu einem verbotenen Vermögensabfluss und ist nichtig. Sie überschreitet die in § 93 I AktG normierten und auch der Prokura eigenen äußersten Grenzen des (unternehmerischen) Ermessens und verletzt eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Vermögen. Der Betriebsrat wird durch Zahlung einer unangemessenen, überhöhten Vergütung in unzulässiger Weise unter Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG begünstigt.
Die gesetzliche Regelung des § 37 IV 1 BetrVG – wonach das einem Betriebsrat zu zahlende Arbeitsentgelt nach der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen ist – schließt dabei eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit selbst für Vergütungszwecke aus. Das gelte auch für im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Denn die Betriebsratstätigkeit sei unentgeltlich auszuüben, wobei im Interesse der Unabhängigkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Dieser verbietet es, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrates bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar ist vielmehr nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt hat und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert war.
Im konkreten Fall seien die Vergleichspersonen falsch ausgewählt worden. Auch eine hypothetische Betrachtung würde ausscheiden, da hierfür in unzulässiger Weise die Betriebsratstätigkeit mitberücksichtigt worden sei. Für den BGH ist dabei nicht entscheidungserheblich, ob die hypothetische Entwicklung beispielsweise zu besonders hohen Vergütungen oder zu einem Wechsel in den Managementkreis geführt hat. Allein wegen der Berücksichtigung von „Betriebsratskompetenzen“ sei die Vergütung rechtswidrig.
Konkret bedeutet das: Der BGH geht von dem Grundfall aus, dass die Betriebsratsmitglieder nach der Vergleichsgruppe (§ 37 IV 1 BetrVG) zu vergüten sind. Nur dann, wenn die Karriereentwicklung ausschließlich am Betriebsratsamt scheitert, kommt eine Vergütung oberhalb der Vergleichsgruppe, in Form der hypothetischen Betrachtung infrage. Damit macht der BGH die Vergleichsgruppenbetrachtung nach § 37 IV BetrVG zur Regel und die hypothetische Betrachtung nach § 78 S. 2 BetrVG zur Ausnahme.
Im Ergebnis verschärft der BGH damit das Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG für die Praxis deutlich. Es wird gegen dieses bereits dann verstoßen, wenn die Vergütung oberhalb der Vergleichsgruppe erfolgt und nicht positiv feststeht, dass das Betriebsratsmitglied diese Vergütung auch ohne sein Amt erhalten hätte. In all den Fällen dagegen, in denen eine solche Vergütung nur wahrscheinlich oder zumindest möglich gewesen wäre, darf keine höhere Vergütung mehr gezahlt werden – dann ist die Vergleichsgruppe die einzig zulässige Mindest- und zugleich Höchstvergütung.
Zumindest jeder Arbeitgeber mit einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied wird nun nach dem Urteil des BGH kritisch prüfen müssen, ob und inwieweit die derzeitige Vergütung den oben näher dargestellten Rahmenbedingungen entspricht.
Bekanntmachung der Pfändungsfreigrenzen 2023 im Bundesgesetzblatt
Am 20.03.2023 wurden im Bundesgesetzblatt die Pfändungsfreigrenzen 2023 nach § 850c ZPO bekannt gemacht. Die unpfändbaren Beträge betragen ab dem 01.07.2023:
- für Arbeitseinkommen nach Abs. 1 1.402,28 € monatlich, 322,72 € wöchentlich und 65,54 € täglich.
- bei bestehender Unterhaltspflicht erhöht sich der Betrag nach Abs. 2 S. 1 um 527,76 € monatlich, 121,46 € wöchentlich und 24,29 € täglich.
- bei bestehender Unterhaltspflicht erhöht sich der Betrag nach Abs. 2 S. 1 um 527,76 € monatlich, 121,46 € wöchentlich und 24,29 € täglich.für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Abs. 2 S. 2 um je 294,02 € monatlich, 67,67 € wöchentlich und 13,54 € täglich.
- die Beträge nach Abs. 3, deren Übersteigen für die Berechnung des unpfändbaren Einkommens unberücksichtigt bleiben, werden auf 4.298,81 € monatlich, 989,31 € wöchentlich und 197,87 € täglich erhöht.
Alle weiteren ab dem 01.07.2023 geltenden Pfändungsfreibeträge können Sie der Tabelle aus dem nachfolgenden Link entnehmen: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/79/VO.html