Darf der Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auf bestimmte Arbeitnehmer beschränken?
Immer wieder taucht die Frage auf, ob Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie (IAP) nur auf bestimmte Arbeitnehmer beschränken dürfen oder ob die IAP immer allen Arbeitnehmern gezahlt werden müsste. Zu dieser Frage hat sich kürzlich das Arbeitsgericht Paderborn geäußert (vgl. ArbG Paderborn, Urt. v. 06.07.2023 – 1 Ca 54/23).
Das Arbeitsgericht Paderborn kam zu dem Ergebnis, ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Geltung verschiedener Vertragsmodelle ist ein formeller Gesichtspunkt und ersetzt nicht den sachlichen Grund für die Differenzierung. Eine Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:
Die Klägerin ist seit 2009 bei der Beklagten als Verkäuferin in Teilzeit beschäftigt. Die Beklagte hat den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluss neuer Arbeitsverträge angeboten. Die Klägerin hat das Angebot nicht angenommen. In dem Kalenderjahr 2022 hatte die Beklagte die Jahressonderleistung nicht an die Klägerin ausgezahlt. Die Klägerin machte ihren Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2022 i.H.v. 1.036,81 € brutto gerichtlich geltend. Nachdem die Beklagte die Zahlung an die Klägerin geleistet hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 29.09.2022 wurden die Mitarbeiter der Beklagten darüber informiert, dass allen Mitarbeitern, die keine Sonderleistungen erhalten haben, aufgrund der steigenden Inflation eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.000 € netto ausgezahlt werde. Teilzeitkräfte erhielten diese entsprechend anteilig. Die Klägerin hat keine Inflationsausgleichszahlung erhalten. Sie verlangte von der Beklagten die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie unter Berücksichtigung ihrer Teilzeittätigkeit i.H.v. 666 €.
Die Klägerin war der Ansicht, der streitgegenständliche Anspruch ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen das Maßregelverbot vor. Die Beklagte hielt dagegen, die Klägerin habe als Sonderzahlungen für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt rund 3.700 € brutto erhalten. Der Großteil der Belegschaft habe dagegen seit dem Jahr 2020 keine Sonderzahlung mehr erhalten und habe diese auch nicht gerichtlich geltend gemacht. Damit liege ein sachlicher Differenzierungsgrund dafür vor, diejenigen Mitarbeiter, die keine Sonderzahlungen erhalten haben, günstiger zu behandeln, als diejenigen Mitarbeiter, die entsprechende Zahlungen erhalten haben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie abgewiesen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ergab sich weder aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus einem Verstoß gegen das Maßregelverbot.
Die Beklagte durfte nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher Arbeitnehmergruppe sie einen Inflationsausgleich zukommen lassen will und welcher Arbeitnehmergruppe nicht. Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Beklagte hat mit der Beschränkung der Leistungen einen weitergehenden Zweck verbunden. Es wurde dem Vortrag der Beklagten nicht gerecht, die Gleichbehandlung allein nach dem für alle gleichermaßen geltenden Ziel des Inflationsausgleichs zu beurteilen. Vielmehr zeigte die Verteilung der Leistung und die dafür gegebene Begründung, dass es der Beklagten bei der Differenzierung um eine Angleichung der Arbeitsbedingungen ging. Mit der Bezeichnung als “Inflationsprämie” und der Zahlung nur an diejenigen Mitarbeiter, die auf eine Sonderzahlung verzichtet hatten, wurde der Charakter als Ausgleichszahlung aber hinreichend deutlich.
Die Beklagte bezweckte mit der Beschränkung der Leistung auf die Arbeitnehmer, die auf die Sonderzahlung verzichtet hatten, einen Ausgleich gegenüber den übrigen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld hatten. Das war ein sachlicher Grund, der eine Differenzierung rechtfertigte.
Der Zahlungsanspruch ergab sich auch nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen das Maßregelverbot. Gem. § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit verbietet § 612a BGB jede Benachteiligung des Arbeitnehmers, also nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass die rechtswidrige Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Die Beseitigung kann nur dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so stellt, wie er ohne die Maßregelung stünde.
Die Rechtsausübung durch die Klägerin war aber nicht kausal für die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme. Diese hat die Klägerin nicht von der Gruppe der Arbeitnehmer, an die sie eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt hat, ausgenommen, weil sie keinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Grund für die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie war vielmehr die gestiegene Inflation und damit verbundene Mehrbelastung der Arbeitnehmer. Hier hat die Beklagte bei der Verteilung zulässig zwischen Arbeitnehmern, die bereits Anspruch auf eine Sonderzahlung haben, und Arbeitnehmern, die ansonsten keine Sonderzahlung erhalten, differenziert.
Unerlaubte Verwendung von Fotos mit Abbildungen des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2023 – 3 Sa 33/22
Das LAG Baden-Württemberg hat einem ehemaligen Arbeitnehmer wegen der Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen mit Abbildungen von ihm durch ein Unternehmen der Werbetechnikbranche über einen Zeitraum von neun Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweg Schadensersatz i.H.v. 10.000 € zugesprochen.
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht immateriellen Schadensersatz wegen der Verwendung von Video- und Fotoaufnahmen mit Abbildungen von ihm nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geltend. Der Kläger war bis Ende April 2019 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Werbetechnikbranche, als Werbetechniker im Bereich Folierung angestellt. Seit Mai 2019 ist er bei einem Mitbewerber der Beklagten tätig.
Die Beklagte betreibt die “W.-S.” und veranstaltet über dieses Format Schulungen in Sachen Folierung. Der Kläger leitete u. a. diese von der Beklagten für interne Mitarbeiter und für Externe angebotene Schulungen, wobei er besonderes Knowhow rund um das Thema “Folieren” an die Teilnehmer weitergab. Während des Bestands des Arbeitsverhältnisses ließ die Beklagte mit Einverständnis des Klägers von diesem zahlreiche Fotos “bei der Arbeit” machen und ein ca. vierminütiges Werbevideo produzieren, das sodann zu Werbezwecken im Internet verwendet wurde.
Nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis wurden die Fotos sowie das Video durch die Beklagte zunächst weiterhin verwendet. Der Kläger richtete mehrfach Nachrichten an seinen Ansprechpartner bei der Beklagten, mit der Aufforderung zur Löschung des streitigen Bildmaterials. Die Beklagte kam der Aufforderung zunächst nicht nach. Dem geltend gemachten Beseitigungsanspruch kam die Beklagte erst im Februar 2020 vollumfänglich nach.
Das ArbG sprach dem Kläger Schadensersatz i.H.v. 3.000 € zu. Das LAG hat auf die Berufung des Klägers diesem wegen der unautorisierten Verwendung ihn betreffenden Bildmaterials in Video- und Fotoaufnahmen nicht nur 3.000 €, sondern 10.000 € als Schadensersatz zugesprochen.
Die Gründe:
Der Beklagte ist dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 DSGVO bzw. zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Nutzung von Film- und Fotoaufnahmen, die den Kläger erkennbar über längeren Zeitraum zeigen, verpflichtet.
Im vorliegenden Fall liegt nach Meinung des LAG eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Auch wenn dieser zunächst mit der Anfertigung von Bildnissen einverstanden war und diese möglicherweise aktiv befördert hat, war für die Beklagte ohne Weiteres ersichtlich, dass dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers und seines Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen nicht mehr der Fall war. Die Beklagte hat dennoch weder von sich aus und zunächst auch nicht auf mehrmaliges Drängen des Klägers die Foto- und Videoaufnahmen mit dem Kläger aus ihren Werbemedien entfernt, sondern dies erst im Februar 2020 und somit über 9 Monate nach seinem Ausscheiden vollständig getan.
Neue Auflage: Aushangpflichtige Gesetze 2023
Aufgrund verschiedener Änderungen bei den aushangpflichtigen Gesetzen ist im Verlag der GDA eine aktualisierte Printausgabe der Aushangpflichtigen Gesetze 2023 erschienen. Aushangpflichtige Gesetze 2023, Rainer Huke / Christian Lepping, Aktualisierte 15. Auflage | Stand: Juli 2023, 11,90 € je Exemplar.
Im Bereich der zusätzlich zum Aushang geeigneten Gesetze wurde neu das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das im Juli 2023 in Kraft getreten ist, in die Sammlung aufgenom-men. In Umsetzung des HinSchG wurde in § 17 Arbeitsschutzgesetz eine Verweisung ergänzt. In Umsetzung der Regelungen zur Entsendung von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur grenzüberschreitenden Durchsetzung des Entsenderechts hat es Änderungen und Ergänzungen in §§ 16 bis 19 und in 21 Mindestlohngesetz gegeben.
Eine Online-Bestellung über die Website http://www.arbeitgeberbibliothek.de ist ebenfalls möglich.
Online-Version für das Intranet:
Für Unternehmen, die die Gesetzessammlung als pdf-Datei in ihrem Intranet veröffentlichen möchten, ist die Gesetzessammlung auch als Online-Version erhältlich. Die Kosten für diese Alternative betragen 7,95 € je Lizenz/Lizenzzeitraum (Barrierefreie Version: 12,95 € je Lizenz/Lizenzzeitraum). Die Online-Version umfasst einen Aktualisierungsservice. Bei Gesetzesänderungen im Lizenzzeitraum wird die pdf-Datei zeitnah aktualisiert und den Lizenzinhabern kostenfrei zur Verfügung gestellt. Eine einfache Benutzerführung ist durch die Verlinkung des Inhaltsverzeichnisses gegeben.
Nähere Informationen, auch zum Lizenzmodell, können Sie auf der Homepage:
https://www.arbeitgeberbibliothek.de/aushangpflichtige-gesetze.html
downloaden.
Aktuelle Tarifabschlüsse
Nach intensiven und konstruktiven Gesprächen konnte am 3. Verhandlungstag, den 11.09.2023, folgendes Tarifergebnis für die Beschäftigten der Stärkeindustrie Niedersachsen/Brandenburg erreicht werden:
- Für alle Vollzeitarbeitnehmer steigen die Entgelte um 250 €, mindestens jedoch um 6 % ab dem 01.10.2023. Teilzeitbeschäftigte anteilig.
- Ab dem 01.10.2024 steigen die Entgelte der Vollzeitarbeitnehmer um weitere 160 €, mindestens jedoch um 4 %. Teilzeitbeschäftigte anteilig.
- Auszubildende erhalten pro Lehrjahr 100 € ab 01.10.2023 und weitere 100 € pro Lehrjahr ab 01.10.2024.
- Mit dem Abrechnungsmonat September 2023 erhalten Vollzeitarbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von max. 2.250 €. Teilzeit anteilig. Voraussetzung ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis und mind. 6 Monate Beschäftigungszeit. Bei anteiliger Beschäftigung in den letzten 6 Monaten, erfolgt die Zahlung anteilig.
- Auszubildende erhalten mit dem Abrechnungsmonat September 2023 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von max. 750 €.
- Laufzeit 01.05.2023 – 30.04.2025 (24 Monate)
Am 12.09.2023 haben sich der Arbeitgeberverband der Bayrischen Ernährungswirtschaft e.V. und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten auf folgendes Tarifergebnis für die Beschäftigten der Handelsmälzereien in Bayern und Baden-Württemberg verständigt:
- Ab dem 01.10.2023 erhöhen sich die Entgelte um 5,0 %.
- Ab dem 01.01.2025 erhöhen sich Entgelte um weitere 4,4 %.
- Die monatlichen Ausbildungsvergütungen erhöhen sich ab dem 01.10.2023 im 1. Lehrjahr auf 1.000 €, im 2. Lehrjahr auf 1.150 € und im 3. Lehrjahr auf 1.250 € sowie ab dem 01.09.2024 um jeweils 50 €.
- Laufzeit: 01.09.2023 – 31.08.2025 (24 Monate)
Diese und weitere Tarifabschlüsse finden Sie auf unserer Homepage unter VdEW-intern, Tarifnachrichten.