Personalfragebögen und § 99 BetrVG

Bei Bewerbungsgesprächen kommen gerne Fragebögen zum Ein­satz, deren abgestimmte Fragen jedem Bewerber gleichermaßen gestellt werden. Dadurch lassen sich fachliche Kenntnisse, aber auch Stärken und Schwächen leichter vergleichen. Die Erstellung solcher Fragebögen unterliegt der Mitbestimmung des Betriebs­rates nach § 94 Abs. 1 BetrVG.

Das LAG Düsseldorf befasst sich in seinem Beschluss vom 02.08.2023 (12 TaBV 46/22) mit der Frage, ob der Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 BetrVG mit dem Argument verwei­gern kann, es seien nicht mitbestimmte Fragebögen verwendet worden.

Interessanterweise kam das LAG Düsseldorf zu der Entscheidung, ein Zustimmungsverweigerungsgrund liege nicht vor. Zwar habe die Arbeitgeberin gegen § 94 BetrVG verstoßen. Dies berechtige den Betriebsrat jedoch nicht zur Verweigerung seiner Zustimmung zu der dem Verfahren zugrunde liegenden Versetzung. Der Gesetzgeber habe in § 99 Abs. 2 BetrVG bewusst nur einen Verstoß gegen § 93 BetrVG genannt, nicht aber einen Verstoß gegen § 95 BetrVG, bevor die darin behandelte Auswahlrichtlinie überhaupt abgeschlossen sei. Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber bei einem Verstoß gegen § 94 BetrVG gerade keinen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 II BetrVG statuieren wollte. Zudem solle mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG lediglich sichergestellt werden, dass dem Arbeitnehmer nur Fragen gestellt werden, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse habe.

Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte andere Folgen nach sich ziehen können, allen voran den Unterlassungsanspruch des Betriebs­rates. Gleichwohl ist die Entscheidung positiv zu bewerten.

Arbeit auf Abruf

Vor etwa 4 Jahren hat der Gesetzgeber in § 12 TzBfG festgelegt, dass eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden bei Arbeit auf Abruf als vereinbart gilt, wenn die Parteien es versäumen, selbst eine Regelung zu treffen.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.10.2023 (5 AZR 22/23) entschieden, von dieser gesetzlichen Fiktion könne auch nicht ohne weiteres durch konkludentes Handeln abgewichen werden, selbst zu Gunsten des Arbeitnehmers.

Was war passiert? Eine Arbeitnehmerin war als Helferin Einlage bei der Beklagten auf Abruf beschäftigt. Eine Vereinbarung über die wöchentliche Arbeitszeit fehlte. Die Arbeitnehmerin trug vor, sie sei von 2017 – 2019 durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich (ca. 24 Stunden die Woche) zur Arbeit abgerufen worden. Der Arbeitgeber habe sie danach nicht geringer beschäftigen dürfen, und schulde nun Annahmeverzugslohn.

Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht. Gibt es keine Vereinbarung, greift die gesetzliche Fiktion, denn gerade diesem Zweck dient die Norm. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 TzBfG im konkreten Fall keine sachgerechte Lösung sei und objektive Anhaltspunkte dafür vorlägen, Arbeit­geber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss eine andere Bestimmung getroffen. Solche Anhaltspunkte konnte die Arbeit­nehmerin nicht darlegen. Der Umstand, dass der Arbeitgeber häufiger vom Abruf Gebrauch gemacht habe, spreche nicht für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen. Umgekehrt könne man auch nicht annehmen, die Arbeitnehmerin habe sich durch die häufigere Inanspruchnahme verpflichtet, stets mehr Arbeit zu leisten.

Betriebsratsvergütung

Mit unserem NL 9-23 hatten wir die Entscheidung des Bundes­gerichtshofes vorgestellt, nach welcher die Vorstandsmitglieder von VW sich strafrechtlich für die bewusste Überzahlung der Betriebsratsmitglieder zu verantworten hatten. Nach – straf­rechtlicher – Ansicht des BGH sei das Gehalt langjähriger Betriebsratsmitglieder nur zu entwickeln, wenn sich dies durch die Entwicklung mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer belegen lasse. Wenig überraschend war den betroffenen Betriebsratsmit­gliedern nach Beginn der Ermittlungen die Vergütung gekürzt worden, um diese auf ein angemessenes Niveau zurückzuführen.

Dies sei jedoch zu Unrecht erfolgt, urteilte nun in I. Instanz das Arbeitsgericht Hannover mit Entscheidung vom 17.10.2023 (12 Ca 272/23). Ganz im Gegenteil, bereits vor der Kürzung habe das von dieser Entscheidung betroffene Betriebsratsmitglied sogar noch zu wenig Vergütung erhalten.

Die mit dieser Entscheidung einhergehende Rechtsunsicherheit nimmt das Arbeitsgericht bewusst in Kauf. Ob nach dem BGH sich nun auch das BAG mit dem Fall wird befassen dürfen, bleibt abzuwarten. Wir werden Sie über die Entwicklungen informiert halten.

In diesem Zusammenhang möchten wir die aktuellen Entwick­lungen zur geplanten gesetzlichen Neuregelung der Betriebsrats­vergütung vorstellen. Der Expertenrat (siehe NL 25-23) hat folgenden Gesetzesvorschlag unterbreitet:

Ergänzung von § 37 Abs. 4 BetrVG:

Die Vergleichbarkeit bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Über­nahme des Betriebsratsamts, soweit nicht ein sachlicher Grund eine spätere Neubestimmung verlangt. Arbeitgeber und Betriebs­rat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Fest­legung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.

Danach wäre die Entwicklung derjenigen Mitarbeiter, aus dessen Mitte das Betriebsratsmitglied ins Amt gewechselt ist, maßgeb­lich.

Ergänzung von § 78 BetrVG:

Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für deren Gewährung erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Gemeint ist die Einschätzung, ob ein Betriebsratsmitglied sich erfolgreich auf eine höherwertige Tätigkeit bewerben könnte, da es die erforderlichen Voraussetzungen mitbringt.

Der Vorschlag liegt nah an der Rechtsprechung des Bundes­arbeitsgerichts. Ob die recht weiten Formulierungen geeignet sind, für mehr Klarheit und Sicherheit bei der praktischen Umsetzung zu sorgen, bleibt abzuwarten.