Weihnachtsgrüße
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Schadensersatz nach AGG
Die Liste der Rechtsprechung zu Verstößen von Stellenanzeigen gegen das AGG ist lang. Dies nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass sich für geübte Bewerber durch geringen Aufwand hohe Schadensersatzsummen generieren lassen. Dieser Liste sind zwei Entscheidungen aus August diesen Jahres hinzugekommen.
Worum geht’s?
Wird ein Bewerber aufgrund eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht eingestellt, kann er nach § 15 AGG Anspruch auf Schadensersatz erheben. Der Schadensersatz beläuft sich i.d.R. auf drei Bruttomonatsgehälter der entgangenen Stelle. Der Schadensersatzanspruch muss binnen zwei Monaten geltend gemacht werden.
Da der Bewerber üblicherweise nicht weiß, weshalb die Entscheidung gegen ihn gefallen ist, kommt ihm eine Vermutungswirkung zu Hilfe. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers zu beweisen, dass keine Benachteiligung stattgefunden hat.
Nun zu den Entscheidungen:
Die klagende Partei ist Hermaphrodit, mithin zwei Geschlechtern zuzuordnen. Nach einer Absage auf die Bewerbung „Referent*in (m/w/d) für Familienbildung“ wurde Klage auf Schadensersatz erhoben mit der Begründung, Hermaphroditen würden von der Abkürzung m/w/d offenkundig nicht erfasst, das „d“ könne schließlich auch für „Menschen dritter Klasse“ stehen. Zudem wurde in der Stellenanzeige mitgeteilt, dass aufgrund Unterrepräsentation bevorzugt männliche Bewerber gesucht würden. Das Landesarbeitsgericht Hamburg gab diesem Vortrag glücklicherweise eine Abfuhr mit Entscheidung vom 14.08.2023 (4 Ta 10/22). Mit dem Kürzel m/w/d sei die Neutralität bzgl. des Geschlechtes ausreichend kenntlich gemacht. Mit der ausdrücklichen Suche nach männlichen Bewerbern komme die beklagte Behörde lediglich dem Hamburgischen Gleichstellungsgesetz nach.
Man darf sich die Frage stellen, wie groß das Interesse an der Stelle wirklich gewesen ist.
Vor diesem Hintergrund erfreulich, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 23.08.2023 (9 Sa 538/22). Die Beklagte schrieb eine Stelle in der Verwaltung aus mit den Worten: „Wir suchen eine Teilzeitmitarbeiterin.“ Der männliche Bewerber bewarb sich mit einem Text via der Chatfunktion von eBay-Kleinanzeigen. Bewerbungsunterlagen übersandte er nicht. Nach der erhaltenen Ablehnung forderte er Schadensersatz wegen Benachteiligung. Zu Unrecht, so das LAG Hamm. Zwar könne man vorliegend von einer Benachteiligung wegen des Geschlechts ausgehen. Wer sich offenkundig aber nur bewirbt, um sich nachher auf eine Benachteiligung zu berufen, handele rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen. Der Bewerber hatte in seinem Text mehrfach sein Geschlecht und die Diskrepanz zur Stellenanzeige hervorgehoben („Sie suchen nur eine Frau?“ „Ich habe eine kaufmännische Ausbildung als Industriekaufmann abgeschlossen“). Dadurch sollte der Grund für eine Absage quasi „auf dem Silbertablett präsentiert“ werden. Zudem waren die vorgetragenen Qualifikationen sehr allgemein gehalten, Nachweise in Form von Zeugnissen oder einem Lebenslauf wurden nicht übersandt.
Übrigens:
Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes darf auch unterschieden werden. So durfte in obiger Entscheidung zur Förderung der Gleichstellung der Fokus auf einen männlichen Bewerber gelegt werden, um die Vorgaben der Landesgesetze umzusetzen. In einer Entscheidung des EuGH vom 07.12.2023 (C-518/22) wurde die Suche nach einer Angestellten im Alter von 18 – 30 Jahren für zulässig erachtet. Denn diese sollte als persönliche Pflegekraft einer 28-jährigen schwerbehinderten Studentin zugeordnet werden, welche um eine etwa gleichaltrige weibliche Pflegeperson gebeten hatte.
Praxishinweis:
Seien Sie sorgsam beim Verfassen von Stellenanzeigen und vermeiden Sie die Unterscheidung nach Merkmalen nach § 1 AGG wie Alter oder Geschlecht.
Das Kürzel „m/w/d“ sollte genutzt werden, ist aber auch ausreichend.
Bewahren Sie eingehende Bewerbungen bis zum Ablauf der 2- Monatsfrist nach § 15 Abs. 4 AGG auf.
Zeugnis, aber richtig
Ein Arbeitszeugnis muss nicht nur inhaltlich, sondern auch formell bestimmten Anforderungen genügen. Ein unerwartetes „Lehrgeld“ musste insoweit ein Arzt in Berlin zahlen. Er hatte sich in einem gerichtlichen Vergleich u.a. darauf geeinigt, der Klägerin ein Zeugnis auszustellen. Dem kam er auch nach, jedoch erteilte er das Zeugnis nur auf einem formlosen Papier, ohne Briefkopf. Daraufhin beantragte die Klägerin auf Basis des Vergleiches die Festsetzung eines Zwangsgeldes i.H.v. 1.000,- €. Zu Recht, urteilte das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 28.11.2023 (26 Ta 1198/23).
Ein Zeugnis darf nicht den Eindruck erwecken, es handele sich dabei nur um einen Entwurf, oder der Aussteller wolle sich vom Inhalt distanzieren. Diesen Anforderungen wird ein Zeugnis ohne den sonst beim Arbeitgeber üblichen Briefkopf nicht gerecht.
Praxishinweis:
Achten Sie bei der Erstellung eines qualifizierten Zeugnisses auf folgende Punkte:
- Briefkopf, Originalunterschrift, Angabe zur Rechtsstellung des Ausstellers (z.B. GF, ppa.)
- Überschrift Zeugnis/Zwischenzeugnis
- Korrekte Angabe der persönlichen Daten
- Keine Angabe zu Krankheitszeiten, Elternzeit, Betriebsratszugehörigkeit
- Korrekte und vollständige Tätigkeitsbeschreibung
- Keine Rechtschreibfehler, einheitliche Formatierung
- Angemessene, nicht widersprüchliche Leistungs- und Führungsbewertung
- Ausstellungsdatum entspricht rechtlichem Beendigungsdatum
Es war einmal Corona…
Man wird sich erinnern: Während der Corona-Pandemie wurde heiß diskutiert, ob dem Arbeitnehmer die Urlaubstage zurückzugewähren sind, die er aufgrund einer angeordneten Quarantäne vermeintlich nicht nutzen konnte. Der Gesetzgeber reagierte im September 2022 mit § 59 IfSG, wonach die Urlaubstage zu erstatten sind.
Glück für die Arbeitnehmer, wie sich nun herausstellt. Denn der EuGH, welcher sich mit einem Fall aus der Zeit vor September 2022 zu befassen hatte (C-206/22), entschied: Es besteht nach europäischem Recht kein Anspruch auf Gutschrift.